Ganz schön beastig
„Bomb“
sollte sie eigentlich heißen, doch dann sah sich Hersteller Sachs wegen der
Ereignisse des 11. September gezwungen, wenige Tage vor dem Zünden der
„Bombe“ einen neuen Modellnamen für sein ziemlich Aufsehen erregendes
Motorrad zu finden. b-805 lautet daher die trockene Bezeichnung des jüngsten
Sachs-Modells.
Dabei
handelt es sich technisch weitgehend um das Modell 800 Roadster, dem
deutliche Stilelemente des im Jahr 2000 präsentierten Prototypen "Beast" zu einem höchst eigenständigen Auftreten
verhelfen. Im Klartext: Auch wenn diese Sachs
technisch eher ein Brot- und Butter-Motorrad ist, wirkt sie als absoluter Hingucker.
Der wassergekühlte V2-Motor von Suzuki mit 800 Kubikzentimetern
Hubraum entwickelt eine Maximalleistung von 58 PS bei 6000 Umdrehungen. Sein maximales
Drehmoment liegt bei zufrieden stellenden 71 Nm und fällt bei 4000 Touren
an. Der Durchzug des V2 ist sehr gut, die Laufkultur – speziell im unteren
und mittleren Drehzahlbereich - ebenfalls. Der im Cockpit montierte
Schaltblitz leuchtet allerdings nur selten auf. Hohe Drehzahlen gehen dem Vierventiltriebwerk
nämlich eher schwer von der (Gas-)Hand. Die Höchstgeschwindigkeit von 175
km/h ist theoretischer Natur: Spaß macht solch hohes Tempo nicht. Insgesamt
stellt der V2 eine angenehme Motorisierung dar, zumal er einen kernigen
Sound entfaltet. Er ist allerdings nicht jedermanns Sache, weil er vom
blubbernden Ansauggeräusch des Sekundärluftsystems dominiert ist.
Der 17-Liter-Tank macht Distanzen von gut 200 Kilometern möglich, bevor auf
Reserve geschaltet werden muss. Bei betont schneller Fahrt ermittelten wir
einen Verbrauch von sieben Litern Normal pro 100 Kilometer, im Mischbetrieb
sollten knapp über sechs Liter genügen. Wer’s gemütlich angehen lässt,
benötigt zwischen fünf und sechs Litern Normal.
Das Fünfganggetriebe lässt sich leicht und präzise schalten. Der
Kardanantrieb macht die Kettenpflege überflüssig, agiert aber nicht ganz
unauffällig (siehe Fahrverhalten).
Die technischen Unterschiede zwischen der 800er Roadster und der b-805
betreffen fast nur das Fahrwerk. So rollt das Hinterrad auf einer nun 18 Zoll
großen Speichenfelge, was eine günstigere Kontur des 160 Millimeter breiten
Reifens beim Kurvenfahren zur Folge hat als beim
17-Zoll-Pneu. Das um 20 Millimeter höher gelegte Fahrwerk, dessen Rückgrat
ein stählerner Doppelschleifen-Rohrrahmen bildet, besitzt modifizierte
Stoßdämpfer, die Feder- und Dämpfungsabstimmung der Uspide-down-Gabel
wurde ebenfalls verändert.
Das Ergebnis vermag dennoch nicht unter allen Bedingungen zu überzeugen: Das
Ansprechverhalten der Gabel wie auch der hinteren Federbeine auf harten Kanten
ist sehr mäßig wie überhaupt Unebenheiten nicht besonders gut verdaut werden.
Insgesamt wurde eine härtere Abstimmung gewählt, um die Kardan-Reaktionen
besser im Zaum zu halten. Das ist gelungen, doch kann man der b-805 in
Relation zum Gewicht von 228 Kilogramm keine herausragende Handlichkeit
bescheinigen. Beim Kurvenfahren ist steter Druck
auf den Lenker nötig, um die einmal gewählte Linie auch beizubehalten. Dafür
macht die großzügig bemessene Bremsanlage – zwei Scheiben vorne, eine
Trommelbremse hinten - ihre Sache einwandfrei.
Bei hohem Tempo fehlt es der Sachs etwas an Stabilität.
Pendelbewegungen um die Hochachse lassen die b-805 dann leicht von links nach
rechts schwanken, sie „schwänzelt“ aber nicht. Gefährlich ist diese Eigenart
daher nicht.
Die
Handhabung der b-805 fällt leicht: die Handhebel für Kupplung und Bremse sind
verstellbar, die Spiegel bieten gute Rücksicht. Der Seitenständer ist günstig
angebracht, einen Hauptständer gibt es nicht. Dank Kardanantrieb ist er auch
nicht nötig.
Das Digital-Display besitzt eine Multifunktionsanzeige: Wahlweise werden
Drehzahl und Geschwindigkeit oder Gesamtkilometer oder Tageskilometer
angezeigt. Die Ablesbarkeit ist zufrieden stellend, während die oberhalb der
Infoleiste liegenden Kontrollleuchten bei direkter Sonneneinstrahlung kaum
mehr wahrgenommen werden können.
Die Sitzposition empfinden mittelgroße Fahrer als entspannt. Außerdem
lässt der Sitz genügend Raum für gelegentliches Herumrutschen. Die kleine
Lampenverkleidung erfüllt eine (allerdings minimale) Zusatzfunktion als
Windschild: Bis etwa 130 km/h sind auch längere Zeit gut erträglich, darüber
wird das Fahren beschwerlich. Fürs Touren ist dieses Motorrad allerdings
weniger gedacht: Das deutet auch die wahlweise montierbare Abdeckung des
Soziusplatzes an.
8647 Euro beträgt der Kaufpreis für die Sachs
b-805. Das ist viel und doch nicht viel – ganz abhängig von der Sichtweise.
Hoch erscheint der Preis unter dem Gesichtspunkt, dass hier ein technisch
einfaches Zweirad mit einem 800 Kubik-Großserien-V2 angeboten wird. Eine
Yamaha BT 1100 Bulldog beispielsweise kostet ein paar Hunderter weniger.
Allerdings ist bei der auch kein Fahrsicherheitstraining im Preis
enthalten, wie das bei der Sachs der Fall ist.
Weniger hoch erscheint der Preis zudem, wenn man sich die Stückzahl von
nur 150 gebauten Exemplaren vor Augen hält. Und vollends als Schnäppchen
kommt die b-805 manchem vor, wenn er sie unter optischen Gesichtspunkten
wertet: Es gibt – vielleicht mit Ausnahme der MV Agusta
F4 – derzeit keine Motorradfront, die optisch dermaßen viel hermacht.
Die Unterhaltskosten sind vergleichsweise unproblematisch: die Technik ist
schließlich Großserie.
Lassen
sich viele Motorräder nur schwerlich an Fakten bewerten, so gilt dies für die
Sachs b-805 in verstärktem Maße: Die am „Beast“-Prototyp
orientierte Lampenverkleidung mit zwei übereinander angeordneten
Ellipsoid-Scheinwerfern und dem miniaturkleinen Digital-Instrument mit
Multifunktionsanzeige fesseln das Auge jedes Betrachters. Auch der
Front-Kotflügel, dessen Linienführung sich auf die Tankverkleidung bezieht,
ist von ungewöhnlicher Formgebung. Nicht ganz unschuldig am Hingucker-Effekt ist zudem die „beastige“
Farbe, ein kräftiges Metallicrot. Wer auf diese Optik abfährt, benötigt
sowieso keine technische Beurteilung.
Wir benoten aber dennoch: Der wassergekühlte Suzuki-V2 mit seinen 58 PS
überzeugt durch kultivierten Lauf und eine im unteren und mittleren
Drehzahlbereich angenehme Leistungsabgabe. Im oberen Drehzahlbereich wirkt
das Triebwerk zäh, was in der Praxis aber kaum eine Rolle spielt.
Das Fahrverhalten ist lediglich zufriedenstellend:
Das Ansprechvermögen der Federung kann auf harten Fugen nicht überzeugen, und
bei hohem Tempo treten leichte Pendelbewegungen um die Hochachse auf. Die
Praxistauglichkeit ist für ein Fahrzeug, das kein echtes Transportbedürfnis
zu erfüllen hat, in Ordnung. Das gilt auch für die Ausstattung. Ganz klar:
Die Sachs b-805 ist eine Sache fürs Herz. Wem sie gefällt, der braucht keine
Alternative. Er findet aber auch keine.
Erfahren
von Ulf Böhringer
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